Es passierte wie schon so Vieles vorher mal wieder im Traktor-Club, bei einem dieser legendären Freitagstreffen, als uns durch
meinen neuen Freund Werner eine Einladung zur jährlichen Treibjagd der Barons Freiherr von Lerchenfeld am 17.11.2012 zugetragen
wurde.
Oh fein, dachte ich so bei mir und sah mich schon mit dem Baron auf einem klimatisierten Hochsitz verweilen, gelegentlich ein wenig
am Champagner der Witwe zu nippen und hier und da einem der im Kampf ums eigene Leben vorbeihetzenden Wildtiere einen ordentlichen
Blattschuss zu verpassen.
Aber die Wirklichkeit sah dann doch etwas anders aus.
Eingeladen waren wir natürlich, um als Treiber bei dieser Jagd mitzumachen und das hat mit Champagner Schlürfen überhaupt nix zu tun .
Ich selbst bin immer wieder Hin und Her gerissen, ob die Jagd nun gut für die Natur oder nur gut für die Jäger und deren
Vergnügen ist. Aber nichts ist besser für die eigene Urteilsfindung, als eine Erfahrung vor Ort. Und so ging es also ab zur
Jagd.
Schloss Heinersreuth *
Die Herren von Lerchenfeld gehören zum altbayerischen Uradel und Ludwig Freiherr von Lerchenfeld bewohnt
Schloss Heinersreuth in der Nähe von Presseck, ca 15 km von meinem Wohnort entfernt.
Wer mehr zu den von Lerchenfelds wissen möchte, der klicke bitte auf das Schlossbild links.
Hier auf diesem schönen Schloss traf man sich zu unchristlich früher Zeit, so gegen 7:30 in der Früh, um die Jagd zu organisieren.
Wildensteiner Schlösschen
am frühen Morgen
Es war kalt, so Minus 1°C und furchtbar nebelig. Nicht so wirklich mein bevorzugtes Klima. Aber der Baron freute sich über dieses
Wetter und meinte, da würden die Sauen so richtig laufen. Na dann!
Nachdem alle an der Jagd Beteiligten anwesend waren, hielt der Baron eine Begrüssungsrede. Sie enthielt auch Verhaltensregeln
für alle Anwesenden. Es wurde auch klar definiert, welche Tiere gejagd werden durften, wie und wo geschossen werden darf und
so weiter. Rehböcke waren am heutigen Tag tabu (Der Rehbock hat in der Zeit vom 16. Oktober bis zum 15. Mai Schonzeit).
Ich war dann doch ein wenig erstaunt, welche Regeln es für die Abgabe eines Schusses gibt. So darf man z. B. nicht gegen den
Horizont schiessen. Auch ein Schuss in die Deckung (Gebüsch oder anderes Dickicht) ist verboten. Der Grund ist der, dass man
als Schütze nicht genau beurteilen kann, wo die Kugel schlussendlich landen wird.
Natürlich gibt es noch weitere Regeln. Diese Beiden sind mir im Gedächtnis geblieben.
Der Ansteller (revierkundiger Jäger), in unserem Fall der Förster selbst, teilte die Anwesenden in Gruppen auf. Eine
Gruppe bestand immer aus Jägern, Hundeführern und Treibern. Jede Gruppe hat wiederum ihren eigenen Ansteller, dessen Anweisungen
bei der Jagd auch Folge zu leisten war. Den Jägern der Gruppe wurde ihr Hochsitz zugeteilt und die Gruppenansteller bekamen
Anweisungen im Hinblick auf das zu durchstreifende Gebiet anhand von Gebietskarten etc.
Um die nicht jagende Bevölkerung, die vielleicht an diesem nasskalten, nebeligen Samstag einen schönen Waldspaziergang
machen könnte, vor den Gefahren der Jagd zu schützen, wurde jeder Zugangsweg zum Jagdgebiet abgesperrt.
Anblasen im Schlosshof
Nachdem der organisatorische Teil beendet war, erhielt ich noch meine Treiber-Ausrüstung. Diese bestand aus einem Stock,
mit dem ich später gegen Bäume und Buschwerk schlagen sollte, um das in Deckung liegende Wild aufzuscheuchen. Hier konnte ich dann
endlich einmal ungestraft "auf den Busch klopfen".
Ausserdem gab noch einen Beutel mit allerlei Leckereien als Verpflegung für unterwegs.
Am Ende des organisatorischen Teils wurde noch ein Signal geblasen. Ich vermute einmal, es war das Signal" Aufbruch zur Jagd".
Nun ging es per Auto zum zugewiesenen Startplatz.
Im Revier
Bis dann endlich alle da waren. kämpfte ich noch mit der Entscheidung, ob ich nun die volle Fotoausrüstung oder nur die
Nikon mit kurzer Optik mitnehmen sollte. Zu diesem Zeitpunkt dachte ich tatsächlich immer noch, ich könne unterwegs hier
und da auch mal etwas schiessen. Natürlich mit der Kamera und nicht mit einem Gewehr. Am Ende entschied ich mich für die Kamera
mit kurzer Optik.
Ich meine, vom Gruppenansteller so etwas wie: "Das wirst Du noch bereuen" gehört zu haben. Aber im Vertrauen auf die
eigene Kondition überhörte ich diesen Kommentar geflissentlich. Überhaupt schwebte ich bis dato in einem Brei falscher Vorstellungen.
So stand ich da am Start in meiner einzigen Sonntagshose und schön warm mit Fleecejacke und darüber einer Daunenjacke gekleidet.
Ich dachte in aller echt, es ginge geruhsam schön über Felder und Wege.
Die Hunde der Hundeführer zitterten erbärmlich. Ich musste mich darüber aufklären lassen, dass sie nicht vor Kälte, sondern vor
Aufregung über das anstehende Jagdvergnügen zitterten.
Los geht's
Und dann ging es auch endlich los. Wir waren in der Treibertruppe sieben Individuen. Zunächst über flache Felder, dann links in den Wald
hinein. Im Abstand von ca. 40 Metern (Sichtweite) gingen wir nun möglichst in einer Linie in der vorgegebenen Richtung. Nun kann
man als Treiber nicht einfach ausweichen, wenn man an ein Dickicht oder sonst etwas Undurchdringliches kommt. Nein, genau da muss man
durch. Denn dieses Dickicht ist ja das ideale Versteck für das Wild.
Spätestens jetzt kamen mir Zweifel, ob denn meine
Sonntagshose die richtige Kleidung für ein Treibjagd-Event war.
Also rein ins Dickicht, koste es was es wolle. Und während ich
mich so durch die Büsche schlug, fragte ich mich so langsam, was wohl passieren würde, wenn ich die Anderen aus den Augen verlöre.
Alleine wäre ich aus diesem Wald nie mehr rausgekommen, denn mein Orientierungssinn ist leider nicht so sonderlich ausgeprägt
und die fränkischen Wälder sind schier unendlich in ihrer Ausdehnung.
Ich merkte, wie sich die Rufe der Anderen schon weiter entfernten. Also musste ich irgendwie schneller voran kommen. Nun hat es
schöne Frankenwald so an sich, dass er doch ein paar ordentliche Hügel vorzweisen hat. Und damit es für den gemeinen Wanderer nicht
zu einfach wird, gibt es hier und da auch schon mal ein riesiges Loch im Fels. Dann geht gar nix mehr ausser weiträumig umlaufen.
In meinem Fall ging natürlich nur ein Umweg 30 Meter nach oben. Also wie ein Verrückter nach oben gehetzt, nach den anderen
geschaut und versucht, wieder zu einer Linie aufzuschliessen. Mir tropfte der Schweiss schon auf die umgehängte Kamera. An
Fotografieren war überhaupt nicht zu denken.
Das obskure Objekt
der Begierde
Ich fing an, das Ding zu hassen. Der Eisenhaufen war schon klatschnass und voller Tannennadeln. Aber die Nikon mit ihrem
Magnesiumgehäuse ist gut abgedichtet und kann das ab. Irgendwo muss ja ein Unterschied zu den weit günstigeren Kameras mit
Kunststoffgehäuse sein .
Die Wildschweine im
Bild rechts wurden übrigens im Gehege von Schloss Heinersreuth aufgenommen und nicht etwa in freier Wildbahn.
Als ich die anderen
wieder eingeholt hatte, war ich so ausser Atem, dass ich schon kurz vor der Panik stand. Wahrscheinlich wäre ein T-Shirt die
bessere Kleidung für diese Kletterei gewesen, denn ich war klatschnass geschwitzt. Geocaching ist gegen dieses Treiben eine echte
Lachnummer. Die Bitte an den Vorsteller, doch wenigstens eine Zigarettenpause zu genehmigen, wurde mit dem Hinweis auf den
einzuhaltenden Zeitplan abgelehnt. Ahhhhhhhh. Und so ging es über knapp 3 Stunden im Powermarsch über Stock und Stein, bergauf
und bergab. Ab und zu sahen wir ein Reh, aber immer sehr weit weg und meist natürlich von hinten. Nur einmal, in der Mitte der
Partie hatte ein Jäger unserer Truppe Glück. Er konnte ein Reh erlegen. Ich selbst habe gar nichts vor die Kamera gekriegt. Ein
Wildschwein konnten wir allesamt nicht auftreiben.
Jagdhunde und Ausrüstung
eines Hundeführers
Wir hatten so ungefähr 6 Hunde mit auf der Tour. Die wieselten überall und nirgends herum. Die Aufgabe der Hunde war natürlich,
das Wild aufzuspüren oder im Falle eines Fehlschusses auch verletztes Wild zu verfolgen. Die Pistole, die mein ganz neuer Freund
Walter da am Gürtel trägt, dient dazu, waidwundem Getier endgültig den Garaus zu machen (abzunicken).
Jedenfalls bin ich froh, dass ich kein Jäger bin. Ich hätte vor lauter Begeisterung bestimmt alle Hunde erschossen, weil ich sie
für Wild gehalten hätte. Und das wäre der bis dahin sehr guten Beziehung zu den Hundeführern bestimmt nicht zuträglich gewesen.
Kurz vor 12:00 trafen wir uns alle am Skilift, der auch eine der geschäftlichen Aktivitäten des Barons darstellt.
Von hier aus rückten wir ab zurück zu den Autos. Natürlich mussten wir zunächst die Skipiste hochlaufen und nicht etwa hinunter.
Das wäre ja auch zu einfach.
Wieder im Schloss angekommen liess der Baron im wahrsten Sinne des Wortes geradezu fürstlich auffahren. Hier konnte sich
jedermann an Suppen, Kuchen und sonstigen Leckereien laben, um wieder Kräfte für die zweite Runde der Treibjagd zu sammeln. Ich
selbst nahm nur einen Becher Kaffee, denn mein Entschluss stand fest: Die zweite Hälfte der Jagd lass ich aus.
Da die Mittagspause unter freiem Himmel stattfand, fror ich nach einer Weile wie ein Schneider. Also fuhr ich nach Hause, um in
trockene Klamotten zu kommen.
Ba, die harte Kampfsau, blieb da und machte auch die zweite Hälfte der Jagd mit. Um 16:00 fuhr ich wieder ins Schloss, um das
Ende einer Treibjagd zu erleben.
Das aufgebrochene Wild
Normalerweise bricht der Jäger die Beute vor Ort auf. Die Innereien bleiben für die Assfraeeser im Wald vor Ort liegen. Die bei
dieser Jagd erlegten Tiere wurden einer Anweisung des Barons folgend jedoch alle zentral im Schloss von einem Fachmann aufgebrochen
(ausgenommen). Das "Geräusch" (Lunge, Herz, Leber und Nieren) ist ein Teil des Aufbruchs und steht nach dem sog. kleinen Jägerrecht
stets demjenigen zu, der die Beute aufbricht.
Beim Legen
der Strecke
Um den erlegten Tieren die letzte Ehre zu erweisen, wird das aufgebrochene Wild immer auf der rechten Seite liegend, auf einen
mit Tannenzweigen bereiteten Boden gelegt. Die gesamte bei einer Jagd erlegte Beute wird als Jagdstrecke oder einfach als Strecke
bezeichnet. Jetzt wird auch klar, woher der Begriff "jemanden zur Strecke bringen" wohl kommt
Auf dem Bild links sieht man übrigens im Hintergrund das Ministerhaus. Dieses Ministerhaus ist ein eher seltenes Beispiel für
klassiszistische Schossarchitektur im Frankenland. Errichtet hat das beeindruckende Bauwerk der aus Darmstadt stammende Hofbaumeister
Georg Moller im Jahre 1827. Im Ministerhaus wohnen aber keine Minister, sondern der Baron selbst. Mitglied des Landtages ist er
ja schon, der Baron. Wer weiss, vielleicht wird er noch Minister ?
Die Strecke
Halali
Alle Beteiligten versammeln sich am Ende zur Ehrbezeugung um die Strecke. Zum Abschluss der Jagd wird dann "Jagd vorbei" und
"Halali" geblasen.
Der Baron vergab Ehrenzeichen in Form von kleinen Tannenzweigen an die erfolgreichen Schützen. Für jedes
erlegte Tier ein Zweig. Dieser Zweig wird für den Rest des Abends am Hut getragen.
Zum krönenden Abschluss des Tages lud der Baron die gesamte "Meute", mehr als 100 Personen, noch zu Essen und Trinken in die
Dorfkneipe ein. Bei diesem Palaver konnte ich mir neben den üblichen Lästereien über meinen genialen Smart noch so manches
Jägerlatein anhören. Wir haben noch so ungefähr 2 Stunden gut gegessen und getrunken und viel gelacht.
Mir bleibt also zum Schluss nur, mich beim Baron für einen unvergesslichen, aufregenden Tag zu bedanken. Natürlich gilt
der Dank auch meinem Freund Werner, der die Einladung letztlich aussprach!!
Wenn es das Schicksal so will, sind wir am 2.11.2013 wieder mit von der Partie, aber diesmal ein bisschen besser präpariert.
Ach, Übrigens: Ba, die harte Kampfsau, schaffte es zu Hause gerade noch, den Fernseher anzumachen. Zur Programmwahl reichte die
Kraft nicht mehr, da schlief sie schon .
Und das Beste zum Schluss: Wer einmal ein Reh ansprechen möchte, der beginnt noch lange keine Unterhaltung!!!!
* geklaut bei Wikipedia